Geteilte Bilder

Geteilte Bilder

„Das Bild hebt sich heraus; es ist klar und deutlich wie ein Brief“
Roland Barthes, Fragmente einer Sprache der Liebe



Das Bild ist im Begriff, sich im Text aufzulösen. Das Bild ist nicht nur Abbild eines Abbilds. Das Bild ist zusätzlich Erfahrung und ist Arbeit und ist Kommunikation und ist Manipulation und ist Opfer und ist Begehren und ist Kampf und ist Geschlecht und so weiter. Das Bild schließt nichts aus. An dem Bild multiplizieren sich vielmehr die Perspektiven. Das Material und die Form sind ebenso Grenzen wie es Öffnungen sind. Das Bild hängt nicht nur an der Wand, es hängt in einem Netzwerk.
Längst hat der Text sich in eine Unübersichtlichkeit akkumuliert. Das Netz ist lähmend. Wir wissen zu viel über zu wenig. Von dem Bild führen Glasfaserkabel mit Lichtgeschwindigkeit zu Metaphern und irgendwohin zurück. Der Text frisst das Bild und das Bild verschluckt den Text. Die Sprache lebt von ihren Bildern und die Bilder leben von ihrem Text.

Treten wir in einen weißen Raum mit einem Gemälde an der Wand. Ein Fremdkörper blickt auf uns. Natürlich können wir versuchen, das Gemälde gar nicht erst zuzulassen. Können vorbeiziehen, nur flüchtig hinschauen. Wir können es ignorieren, aber die Ignoranz ist schon intentional. Wir müssen uns dazu verhalten. Das Gemälde hat seine Position in der Raumzeit. Es nimmt uns in Anspruch. Wir sind immer schon in seinen Bann getreten und immer schon von ihm ausgeschlossen. Es lässt uns nicht los.

Und es lädt uns ein. Es lädt uns ein zu vergessen, was wir wissen. Lädt uns ein, Körper zu sein. Lädt uns ein, sich selbst fremd zu werden. Die verräumlichte Zeit, eingelegt in ablaufendes Konservierungsmittel, schweigt uns an. Das Schweigen ist Teil seiner Stimmigkeit.
Sich auf das Gemälde einlassen, heißt, in sich hinein zentralisiert vor dem wesenden Objekt, die Grenze zwischen dem Ding und mir vergessend dem reinen Willen zu begegnen: Das absolute Behagen.

Eigentlich müsste auch ich von dem Bild schweigen. Die Spannung stimmlos ertragen. In dem Moment, in dem man das jemeinige Gefühl (es hat den Namen ______________ ) benennt und es teilt, ist es ersetzbar, ist es schon verloren.

Am wirksamsten wäre das Werk eigentlich in seiner Einsamkeit. Eine Einsamkeit, die nicht existiert und nie existiert hat. Der Text zerrt an dem Bild. Das Bild wird geteilt. Das Bild wird zerlegt und geteilt von unzähligen Kontexten. Es ist immer schon unterwegs in unendliche Welten, atomisiert und vergessen.



Art W. Krüger